Prinzipien des Erbrechts
Testierfreiheit
Die Wünsche des Erblassers gehen allen anderen vor, das heißt, dass die gesetzlich geregelte Erbfolge (§§1924 ff. BGB) nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Erblasser keine letztwillige Verfügung, sei es in Form eines Testamentes oder Erbvertrages getroffen hat. Auch bei Vorliegen eines Testaments kann die gesetzliche Erbfolge von Relevanz sein, wenn in einer testamentarischen Erbfolge ein Pflichtteilsberechtigter ausgeschlossen wurde und die gesetzliche Erbfolge für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs Grundlage wird oder das Testament unwirksam ist.
​
Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge
Gesetzlicher Erbe wird derjenige, der zur Zeit des Erbfalls gem. §§ 1924 ff BGB zur Erbfolge berufen ist. Das gesetzliche Erbrecht ist durch sogenannte Ordnungen und Stämme organisiert. Die gesetzliche Reihenfolge der Ordnungen begründet zugleich die Rangordnung der möglichen Erben. Wenn nur ein einziges Mitglied einer vorhergehenden Ordnung den Erbfall erlebt, schließt es alle anderen Verwandten der nachfolgenden Ordnungen von der Erbfolge aus. Im ersten Rang stehen die Abkömmlinge des Erblassers, im zweiten Rang die Eltern des Erblassers mit ihren Abkömmlingen, im dritten Rang die Großeltern des Erblassers mit ihren Abkömmlingen usw.
​
Innerhalb der ersten drei Ordnungen bildet jedes Kind, jeder Elternteil und jeder Großelternteil mit seinen Abkömmlingen einen Stamm. Jeder Stamm erbt gleich viel.
​
Ehegatten
Nach dem Ehegattenerbrecht gem. § 1931 Abs. 1 BGB erbt neben den Verwandten des Erblassers auch der überlebende Ehegatte. Die Erbquote des Ehegatten ist davon abhängig, welche Verwandten des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes vorhanden sind sowie von dem ehelichen Güterstand, in dem die Eheleute beim Erbfall lebten. Wenn keine ehevertragliche Regelung getroffen wurde, leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand leben, wird der gesetzliche Erbteil pauschal um ein weiteres Viertel erhöht (§§ 1931 Abs. 3, 1371 BGB), so dass der Ehegatte neben Erben der 1. Ordnung zu einer Quote von ½ und neben Verwandten der zweiten Ordnung sowie neben Großeltern zu einer Quote von ¾ als Erbe berufen ist. Sollte der Ehegatte testamentarisch enterbt sein, d.h. ihm weder ein Erbe noch ein Vermächtnis zustehen, kann der überlebende Ehegattet gem. § 1371 Abs. 2 BGB Ausgleich des konkret entstandenen Zugewinns verlangen. Gerade wenn der verstorbene Ehepartner während der Ehe einen hohen Zugewinn erzielt hat, kann der überlebende Ehegatte mit der pauschalierten Erhöhung des Erbteils schlechter stehen, als bei einer konkreten Berechnung des Zugewinns. Daher räumt das Gesetz dem überlebenden Ehegatten die Möglichkeit ein, die Erbschaft auszuschlagen und stattdessen zwei Forderungen gegen die Erben geltend machen zu können:
-
Zum einen den Anspruch auf den konkret errechneten Zugewinn und
-
zum anderen den Anspruch auf den Pflichtteil.
Das heißt im Einzelfall sollte konkret geprüft werden, ob es für den überlebenden Ehegatten günstiger ist, die Erbschaft auszuschlagen und neben dem Zugewinnausgleich auch Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.
​
Bestand beim Erbfall Gütertrennung, kommt es nicht zur Erhöhung des Erbteils um ein pauschales Viertel als Ausgleich für einen Zugewinn, so dass die Erbquote für den Ehegatten dem Erben der ersten Ordnung grundsätzlich bei ¼ und neben Verwandten der zweiten Ordnung sowie neben Großeltern bei ½ liegt.
Bei Ehegatten in Gütergemeinschaft werden drei Vermögensmassen hinterlassen, der Anteil am Gesamtgut, das Sondergut, das Vorbehaltsgut. Wenn ein Ehepaar durch notariellen Vertrag eine Gütergemeinschaft vereinbart hat, gehört jedem Ehepartner bereits vor dem Erbfall die Hälfte des gemeinsamen Vermögens, das sogenannte Gesamtgut. Von der Hälfte des Gesamtguts das dem Erblasser zustand, bekommt der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung ¼.
Neben Verwandten der zweiten Ordnung und neben den Großeltern steht dem überlebenden Ehegatten die Hälfte des Gesamtguts zu.
​
Des weiteren können die Ehegatten durch einen Ehevertrag zusätzlich vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod des Erstversterbenden mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird.
​
Als gesetzlichem Erben steht dem Ehegatten darüber hinaus der sogenannte Voraus zu. Dieser umfasst die Haushaltsgegenstände und Hochzeitsgeschenke.
​
Scheidung
Nach einer Entscheidung des BGH vom 07.07.2004 behalten wechselbezügliche Verfügungen auch
nach der Scheidung der Ehe ihre Wechselbezüglichkeit und können nicht durch einseitige Verfügungen von Todes wegen aufgehoben werden. Wenn dies verhindert werden soll, ist in der gemeinsamen letztwilligen Verfügung ausdrücklich ein Hinweis aufzunehmen, dass für den Fall, dass ein begründeter Scheidungsantrag rechtshängig ist, die Verfügung von Todes wegen unwirksam sein soll.
Pflichtteilsrecht
Durch das Pflichtteilsrecht wird die Testierfreiheit zugunsten der Abkömmlinge des Erblassers und des Ehepartners erheblich eingeschränkt.
Das Pflichtteilsrecht sichert den nahen Angehörigen des Verstorbenen eine finanzielle Mindestbeteiligung am Nachlass für den Fall, dass der Erblasser sie durch Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Das Pflichtteilsrecht ist grundsätzlich nur ein Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gegen den oder die Erben. Anspruchsberechtigte sind nur die Abkömmlinge des Erblassers, der Ehegatte sowie Eltern des Erblassers. Der Pflichtteilsberechtigte muss durch Verfügung des Erblassers von der Erbfolge ausgeschlossen sein. Ist der Berechtigte zu einer geringeren Quote als die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils eingesetzt, hat er Anspruch auf den Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB). Wurde der Berechtigte mit einem Vermächtnis bedacht, besteht nur dann ein vollständiger Pflichtteilsanspruch, wenn der Berechtigte das Vermächtnis ausschlägt. Nimmt er jedoch das Vermächtnis an, hat er nur insoweit einen Pflichtteilsanspruch, als der Wert des Vermächtnisses hinter dem Wert des Pflichtteilsanspruchs zurückbleibt. Der Pflichtteilsanspruch richtet sich gegen den Erben bzw. die Miterben. Im Falle der Pflichtteilsergänzung kommt auch der Beschenkte als Schuldner in Betracht, soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist.
Der Pflichtteilsanspruch besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils und ist abhängig von dem maßgeblichen Erbteil sowie dem Nachlassbestand und dessen Wert. Im Falle einer Testamentsvollstreckung zur Nachlassabwicklung oder Nachlassverwaltung gilt, dass der Pflichtteilsberechtigte seine Forderungen alleine gegen den Erben geltend zu machen hat.
Pflichtteilsansprüche verjähren in drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers und von der ihn enterbenden oder beschränkenden Verfügung Kenntnis erlangt hat.
​
Familienstiftung
Motive für die Gründung einer Familienstiftung
Im Zuge der Gründung einer Familienstiftung kann der Stifter unabhängig von einzelnen privatschriftlichen Vereinbarungen die lebenslange Versorgung ebenso wie eine lebenslange Geschäftsführung gewährleisten.
Insbesondere bei Begründung einer lebenslangen Geschäftsführungsbefugnis sind jedoch Regeln unausweichlich, die sich auf den Fall einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung beziehen, da ansonsten der Fortbestand des Vermögens bzw. des Unternehmens gefährdet sein kann. Sämtliche Regelungen der Insolvenzsicherung im Rahmen letztwilliger Verfügungen durch Vereinbarungen von Rückübertragungsansprüchen, Regelungen über Vor- und Nacherbfolge oder sonstige Schutzregelungen haben den Nachteil, dass sie zeitlich begrenzt sind. Durch die Gründung einer Familienstiftung wird der Zugriff von Gläubigern der Abkömmlinge des Stifters auf das Vermögen der Stiftung von vornherein ausgeschlossen. Lediglich die Erträge, die ein Abkömmling aus dem Stiftungsvermögen als Destinatär erhält, sind pfändbar und können insolvenzrechtlich verwendet werden.
​
Besonders älteren Vermögensinhabern liegt häufig am Herzen, dass die Versorgung über mehrere Generationen gesichert ist. Will man beispielsweise eine langfristige Ausbildungs- und Unterhaltssicherung mehrerer Generationen erreichen, so steht hierfür nur die Rechtsform der Stiftung zur Verfügung, da diese im Gegensatz zu Familiengesellschaften unsterblich und daher auf einen längeren Zeitraum als 30 Jahre ausgelegt ist. Selbst der Einsatz gemeinnütziger Stiftungen gewährleistet, dass in einem gewissen Umfang Ausbildungs- und Unterhaltsleistungen an Nachkommen des Stifters möglich ist. Allerdings können dabei nur die nächsten Angehörigen bedacht werden, während bei der Familienstiftung der Kreis der Begünstigten frei wählbar ist.
Gerade das Pflichtteilsrecht kann eine Gefahr für die Erhaltung des Familienvermögens darstellen. Mittels einer Familienstiftung kann erreicht werden, dass nur die Erträge nicht aber die Vermögenssubstanz, die der Stifter rechtzeitig, das heißt mindestens 10 Jahre vor seinem Ableben in die Stiftung eingebracht hat, den nachfolgenden Generationen zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Das Stiftungsvermögen ist nach diesem Zeitpunkt vor Ansprüchen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen geschützt.
​
Das latente Erbrecht geschiedener Ehegatten, dass durch das Ableben gemeinsamer Kinder wieder entstehen kann, sehen viele als Gefahr für den Erhalt des Familienvermögens. Durch Übertragung des Familienvermögens auf eine Familienstiftung ist der Rückgriff geschiedener Ehegatten auf das Familienvermögen von vornherein ausgeschlossen.
​
Besonderheiten bei der Besteuerung
Überträgt der Stifter einzelne Vermögensgegenstände des Privatvermögens auf eine Stiftung erfolgt dies steuerfrei. Dies gilt auch bei der Übertragung aller wesentlichen Beteiligungen einer Kapitalgesellschaft und Zuwendungen innerhalb der Spekulationsfrist. Die Auflösung der Stiftung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die Übertragung des Vermögens auf die Berechtigten ist also als Schenkung unter Lebenden zu qualifizieren, die der Schenkungssteuer unterliegt.